Stressmanagement

Um besser mit Stress umgehen zu können, muss einem zuerst bewusst werden, dass man unter Stress steht. Wie entsteht Stress? Dabei wirken die äußere Situation (Stressor), die Stressreaktion und persönliche Stressverstärker zusammen. Stressoren können z.B. eine zu hohe Leistungsanforderung, zu viel Arbeit, soziale Konflikte oder Zeitdruck sein. Die Stressreaktion ist das, was wir umgangssprachlich als „Stress“ verstehen. Damit sind die Emotionen, körperlichen Signal, Gedanken, und Verhaltensweisen gemeint, die typisch für Stress sind. Persönliche Stressverstärker sind die inneren Einstellungen, die den Stress unnötig verstärken. Dazu zählen z.B. Ungeduld, Perfektionismus, Kontrollstreben, Einzelkämpfertum und Selbstüberforderung. 

Übung 1 – Was ist Stress – für mich?

Die folgenden drei Satzanfänge sollen Ihnen helfen, Ihre Gedanken zu ordnen. Bitte ergänzen Sie jeden der drei Sätze so, wie es Ihrem persönlichen Stresserleben entspricht.

Ich gerate in Stress, wenn … (Stressor)

Wenn ich im Stress bin, dann … (Stressreaktion)

Ich setze mich selbst unter Stress, indem … (Persönliche Verstärker)

Merkmale der Stressreaktion

Man kann die Auswirkungen von Stress in folgende Bestandteile unterteilen:

Körper: Atemlosigkeit, Ruhelosigkeit, ständig auf Trab sein, Kopfschmerzen, Lärmempfindlichkeit, ständige Müdigkeit, Verspannungen, Schlaffheit, Herzklopfen, hoher Blutdruck, Rückenschmerzen, Darmprobleme.

Gedanken: Perfektionismus, Gedankenrasen, Grübeln, Entwertung anderer, Aufschieben

Gefühle: Gereiztheit, Überforderungsgefühle, Ärger, Versagensangst, Hilflosigkeit, Nervosität

Verhalten: Hastiges und ungeduldiges Verhalten (z.B. Essen herunterschlingen, Pausen verkürzen oder ausfallen lassen, abgehackt sprechen, andere unterbrechen), Betäubungsverhalten (zu viel Kaffee, Rauchen, Tabletten, Alkohol, …), unkoordiniertes Arbeitsverhalten (mehrere Dinge gleichzeitig tun, mangelndes Planen, Dinge verlegen, verlieren oder vergessen), motorische Unruhe (mit Fingern trommeln, kratzen, …) und Konflikte mit anderen (Vorwürfe machen, aus der Haut fahren, Gereiztheit ggü. Familie).

Mögliche Folgen von übermäßigem Stress

Stress ist eine allgemeine Reaktion auf Belastungen unterschiedlichster Art. Sie wirkt sich körperlich auf alle Organsysteme aus. An sich ist eine kurzzeitige körperliche Aktivierung durch Stress nicht gesundheitsschädlich. Im Gegenteil: Es kann anregend sein! Wichtig ist aber, dass er sich immer wieder mit Phasen der Entspannung und Regeneration abwechselt. Bei chronischer Anspannung kann es zu teilweise gravierenden körperlichen Folgen kommen: Chronischer Bluthochdruck, Diabetes, Arteriosklerose, schwaches Immunsystem, Herzinfarkt, Magen-Darm-Geschwüre, Arthritis, Tinnitus, Impotenz, Hauterkrankungen bis hin zu verschiedenen Tumorerkrankungen.

Stress-Phasen

  1. „Mach mal Pause“-Signale: Der Körper gibt erste Signale, dass er erschöpft ist und eine Pause braucht. Nach ein, spätestens zwei Stunden Konzentration ist die Aufmerksamkeitsspanne in der Regel erschöpft. Anzeichen davon können sein: Durst, Hunger, Abwesenheit, Lustlosigkeit, Gähnen, Seufzen, seelische Verletzlichkeit, Frust, Denkblockaden, kleine Fehler oder Vergesslichkeit. Am besten sollte man hier schon reagieren: Verschnaufpause, frische Luft, kleine, Abwechslung, leichtere Tätigkeit, … 
  2. High von den eigenen Emotionen: Der Körper kommt durch die ständige Anspannung in die Erwartung von äußerer Not und Gefahr. Er wird mit Stress-Hormonen überflutet, Muskeln, Gehirn und das Nervensystem werden stärker durchblutet und funktionieren besser. Der Typus des hyperaktiven Workaholic findet in unserer Leistungsgesellschaft viel Anerkennung. Tatschlich hat er sich weit von seinem seelischen Empfinden entfernt und kann dabei manchmal wie betrunken wirken. Ist dieser Punkt erreicht, fällt es immer schwerer, sich unter normalen Bedingungen zu entspannen. Man wird süchtig nach Arbeit (Arbeitssucht!).
  3. An der Schwelle zur Funktionsstörung: Die Reserven werden so sehr erschöpft, dass keine Stresshormone mehr produziert werden können. Der Körper nimmt sich Pausen in Form von Aussetzern: Es werden wiederholt einfache Fehler gemacht, es folgen Gedächtnisstörungen, Unfälle etc.
  4. Der Körper rebelliert – bis zum Burnout: Hier sind heftige Störungen des Körpers zu erwarten, wie etwa Herz-Kreislauf-Probleme, Magengeschwüre, Hörstürze bis hin zu Krebserkrankungen.

Übung 2 – Ihre „Mach mal Pause“-Signale erkennen

Beobachten Sie sich eine Woche lang selbst. Nehmen Sie sich jeden Morgen vor, aufmerksam auf die frühesten Anzeichen von Stress bei Ihnen zu achten. Versuchen Sie auch kleine Anzeichen von Unwohlsein und Überforderung zu bemerken. Notieren Sie, wie sich die Signale bei Ihnen körperlich, gedanklich, emotional und im Verhalten ausdrücken.

Sofortprogramm bei Stress

Wenn Sie eines oder mehrere dieser Symptome bei sich wahrnehmen, sollten Sie versuchen, den Stress sofort zu verringern. Dabei kann Ihnen folgendes 3-Schritte-Programm zum Abbau von akutem Stress helfen.

  1. Innehalten: Nehmen Sie einen tiefen Atemzug – atmen Sie aus. Versuchen Sie dann wahrzunehmen, wie es Ihrem Körper geht und was für eine Gefühl Sie gerade haben. Versuchen Sie, das treffende Wort für das Gefühl zu finden (Ungeduld, Traurigkeit, …).
  2. Bedürfnis erkennen: Fragen Sie sich selbst, was Ihnen gerade fehlt? Frische Luft? Eine andere Sitzhaltung? Eine Pause? Ein Gespräch? Essen? Trinken? Temperaturausgleich? Schlaf? Bewegung? Zuwendung? Berührung? Entspannung? Ein Zeitplan? Überschaubare Ziele? Die Situation, zu verstehen?
  3. Handeln: Dann reagieren Sie und handeln entsprechend des Bedürfnisses, das gerade unbefriedigt ist. Überlegen Sie, was davon sich gerade im Hier und Jetzt umsetzen lässt, um den Stress zu verringern. Und dann werden Sie aktiv und verändern Sie die Situation, um den Stress zu reduzieren. Probieren Sie auch neue Dinge aus und seien Sie nicht entmutigt, wenn Sie mehr als einen Anläufe brauchen, um herauszufinden, was Ihnen effektiv hilft. Das ist normal!

Übung 3 – Persönlicher Notfallkoffer bei Stress

Die Liste auf der folgenden Seite kann Ihnen dabei helfen, Ideen für den Umgang mit akutem Stress zu entwickeln. Einige wenden Sie vielleicht schon an, andere werden neu für Sie sein. Unterstreichen Sie diejenigen, die Sie als Sofortmaßnahmen bei Stress schon kennen oder ausprobieren möchten. Sie gehören zu Ihrem persönlichen Stress-Notfallkoffer. Am Ende ist Platz für Ihre eigenen Ideen.

Einen Spaziergang machenEin Nickerchen halten5 Minuten die Augen zu machen
Ein Bad nehmenEine Tasse Tee zubereitenJemanden um Rat fragen
Einen Freund anrufenBarfuss laufenEine Yoga-Übung machen
An einer Blume riechenJemanden um einen Gefallen bittenEin schönes Foto anschauen
Eine Entspannungsübung machenIn den Wald gehenJemandem von meiner Situation erzählen
10 bewusste Atemzüge machenMit dem Hund um den Block gehenAn eine schöne Erinnerung denken
In die Wolken schauenIn einem Katalog blätternEine Prioritätenliste anfertigen
Fühlen, was gerade istEinen alten Film schauenIm Regen spazieren gehen
Jemandem einen Witz erzählenMusik hörenSich alte Bücher anschauen
Etwas reparierenEin Kinderbuch lesenEine Kerze anzünden
Zu einem Lied tanzenSich unter einen besonderen Baum setzenBewusst eine Mahlzeit zu sich nehmen
Eine Dose Kaffee öffnenEin Räucherstäbchen anzündenEin Stück Schokolade essen
Jemandem eine nette Nachricht schreibenEin Lied singenEine geführte Meditation auf YouTube ausprobieren
Einen Apfel essenEine Wanderung machenEin Gedicht lesen
Sich einen Salat machenEin Gebet sprechenEine Runde PMR machen
Einen Katastrophenplan machenEin Bild malenEine Gehmeditation machen
Sich selbst, Mut zusprechenEin Glas Wasser trinken1 Minute lang Gefühle bewusst wahrnehmen

Übung 4 – Progressive Muskelentspannung (PMR)

Die Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson ist eine einfache und bewährte Methode, um Entspannung zu lernen. Jacobson ging davon aus, dass sich seelische Anspannungen auch in muskulären Spannungen ausdrücken. Die Methode ist sehr wirksam, man muß jedoch mehrere Wochen regelmäßig üben, um die positiven Resultate zu verspüren. Sie kann im Liegen, aber auch im Sitzen durchgeführt werden, so dass sie auch für unterwegs geeignet ist. Das Grundprinzip besteht aus der wechselnden An- und Entspannung von unterschiedlichen Muskelgruppen:

  1. Aufmerksamkeit auf die jeweilige Körperregion lenken
  2. Muskelgruppe maximal anspannen
  3. Spannung 5-7 Sekunden halten (dabei weiteratmen)
  4. Mit dem Ausatmen Spannung schlagartig lösen und nachspüren

Anleitungen:

PMR im Liegen: https://www.youtube.com/watch?v=c8NdFOXBgxE

PMR im Sitzen: https://www.youtube.com/watch?v=1EWMEPg8ZQk&t=130s

            —> Youtube-Kanal der AOK Hamburg/Rheinland

Trainingsplan

1. Woche

2. Woche

Stress vorbeugen

Am besten ist es natürlich, gar nicht erst so sehr in Stress zu geraten. Dies erreicht man so, indem lernt, seine Zeit richtig einzuteilen, Ziele zu priorisieren und unnötige Konflikte zu vermeiden. Hierbei helfen z.B.

  • Langfristiges Planen
  • Menschen meiden, die einen wiederholt provozieren und Energie ziehen
  • Sich abgrenzen können
  • Flexibilität bei sich ändernden Situationen
  • Seine Zeit sinnvoll einzuteilen
  • Einer sinnvollen Aufgabe nachzugehen
  • Im Alltag immer wieder für Ausgleich zu sorgen durch Sport, Entspannungsübungen, positive Aktivitäten und richtigLinienLinienLinienLinienLinienLinienLiniene Ernährung.

Wenn sich Aufgaben vor einem türmen und man sich von den vielen Anforderungen überfordert fühlt, hilft es manchmal, sich über die Dringlichkeit und Wichtigkeit von bestimmten Aufgaben klar zu werden. Dringlich sind Aufgaben, die nicht aufgeschoben werden können und sofort erledigt werden sollten. Wichtig sind Aufgaben, die für das Er-reichen Ihrer Ziele bedeutend sind (z.B. Planung, Strategie, Weiterbildung, …). Wichtigkeit und Dringlichkeit beeinflussen die Prioritätensetzung gleichermaßen. Unterscheidet man zwischen hoher und niedriger Dringlichkeit, kommt man zu folgender Vier-Felder-Tafel:

ÜBUNG 5 – Prioritäten setzen

  1. Machen Sie sich eine Liste von den Aufgaben, die in nächster Zeit (z.B. einer Woche) erledigt werden müssen.
  2. Ordnen Sie die einzelnen Aufgaben nach den Prioritäten A, B, C und D in der Vier-Felder-Tafel.
  3. Gehen Sie in der kommenden Woche Ihre Aufgaben so an, dass Sie vor allem Aufgaben aus den Feldern A und B erledigen.

Grenzen setzen

Neben dem Pflegen positiver zwischenmenschlicher Beziehungen ist es auch wichtig, die eigenen Interessen gegenüber anderen vertreten zu können. Das vielleicht Wichtigste aber auch das Schwierigste dabei ist es, Forderungen und Bitten anderer auch ablehnen zu können, mit anderen Worten: „Nein“ zu sagen. Das Bestreben, nie jemand anderen enttäuschen zu wollen, behindert diese wichtige Fähigkeit. Voraussetzung ist auch, seine eigenen Grenzen überhaupt spüren zu können (s.o. „Mach Mal Pause“-Übung) und sich einzugestehen, dass die eigene Leistungsfähigkeit Grenzen hat. Das „Nein“-Sagen fällt gerade engagierten und hilfsbereiten Menschen oft schwer, ist aber eine Voraussetzung für die Verringerung von Stress. 

Grenzen kann man z.B. setzen durch: Pushnachrichten für WhatsApp abstellen, Telefon umleiten, Schild „Bitte nicht stören“ anbringen, Emails nur zu bestimmten Zeiten checken, nächtlichen Flugmodus erst um 10:00 Uhr abschalten, Zeitliches Limit für Treffen/Besprechungen setzen und einhalten. Was sind Bereiche in Ihrem Leben, wo Sie lernen könnten, Grenzen zu setzen?

ÜBUNG 6 – „Nein“ sagen lernen

Überlegene Sie bitte einmal, in welchen Situationen Sie z.B. gerne einmal „nein“ sagen oder jemand um etwas bitten möchten. Spielen Sie vorher die Situation in Gedanken genau durch. Legen Sie sich die Worte zurecht, die Sie benutzen wollen. Malen Sie sich die Reaktion der anderen aus und überlegen Sie, wie Sie darauf antworten werden. Setzen Sie bei nächster Gelegenheit Ihr „Nein“ oder Ihre „Bitte“ oder Ihr „Ich will“ in die Tat um. Suchen Sie sich für den Anfang einfache Situationen mit solchen Personen aus, die Ihnen nicht so viel bedeuten und zu denen der Kontakt nicht so eng ist, evtl. sogar ganz fremde Personen z.B. im Restaurant, in der Kantine, im Zugabteil, an der Kaufhauskasse.

Literatur:

Gapp-Bauß, Sabine: Stress-Management. Zu sich kommen statt außer sich geraten. param 2016.

Kaluza, Gert: Gelassen und sicher im Streß. Das Stresskompetenz-Buch: Stress erkennen, verstehen, bewältigen. Springer 2015